NEUE DEUTSCHE BIOGRAPHIE NDB

Musterartikel aus Bd. 19 (1999)




Omphal(ius), Jakob (Jacobus) v. (Reichsadel 1559), Jurist, kurkölnischer Kanzler, * wohl 11. 2. 1500 Andernach, + 25. 10. 1567 Wiesdorf/Rhein b. Leverkusen. (kath.)

Die O., deren dt. Name nicht bekannt ist, gehörten Ende d. 15. Jh. z. Patriziat im kurköln. Andernach u. waren mit d. dortigen Bgm.fam. Hillesheim verwandt; - V Bernd, in A.; M Hermine v. Büren; oo 1539 Elisabeth, T d. Kölner Stadtsyndikus Dr. Peter Bellinghausen u. d. N. N. v. Neuhof; 6 überlebende K u. a. Bernhard (+ 1580), Jakob II., beide Juristen, Kaspar (1549-1627), Vogt d. Amtes Gimborn-Neustadt.

O. wurde nach Studien in Köln, Utrecht und (wahrscheinlich) Löwen 1529/30 an der Univ. Paris zum Magister promoviert. 1532 war er dort Prokurator der deutschen Nation und stand in Briefkontakt mit Erasmus, Amerbach, Scaliger, Viglius ab Aytta, Johann Ulrich Zasius und anderen Humanisten. 1535 erfolgte die jur. Promotion in Toulouse, die sein Interesse an jur. Rhetorik zeigt. 1537 kehrte er nach Deutschland zurück und wurde von Kurköln auf eine Assessorenstelle am Reichskammergericht präsentiert. Nach Wechsel in den kurköln. Hofrat 1540 trat er in enge persönliche Verbindungen zu Kf. Hermann v. Wied (1477-1552), vertrat Kurköln auf dem Reichstag 1544 und übernahm 1545 den kurköln. Kanzlerposten. Nach der erzwungenen Resignation Hermanns 1547, den O. noch einige Jahre juristisch beriet, trat O. wahrscheinlich wegen seiner Kontakte zu Sommerset, dem Vormund Kg. Edwards VI., 1551 in den Dienst des Hzg. Wilhelm V. von Jülich-Kleve-Berg (1516-92) und nahm als dessen Rat an den Reichs- und Deputationstagen 1556, 1557/58 und 1562 sowie an der Kaiserwahl 1563 teil. Durch den kreisausschreibenden Herzog erhielt er 1559 das Amt des Syndikus des Niederrhein.-Westfäl. Reichskreises. Diese Tätigkeit auf Reichsebene erleichterte wohl 1559 seine Nobilitierung ebenso wie seine vom Reichskammergericht herrührende persönliche Bekanntschaft mit Reichsvizekanzler Georg Sigmund Seld (1516-65).

Seit 1529 veröffentliche O. parallel zu seiner juristisch-politischen Tätigkeit mindestens 13 rechtswissenschaftliche und philologische Werke: zunächst eine Textausgabe zu Herodian, eine Cicero- (1535) sowie eine Plautus-Rede (1537). Diese wurden ergänzt durch Schriften zur Rhetorik (1536/37), besonders durch sein Werk "De eluctionis imitatione", das 15 Auflagen erlebte. O.s erste Schrift zur Staats- und Gesellschaftslehre "De suspicienda reipublicae propugnatione" (1538) ist eine Reaktion auf das Täuferreich zu Münster. Aus der Korrespondenz mit Johann Sturm ging die kleine Schrift "Epistolae de dissidiis religionis" (1539) hervor. 1550 veröffentlichte O. auf der Grundlage antiker Rechtstexte ein jur. Lehrbuch über Gerechtigkeit, Recht und Richtertum. "De usurpatione legum ..." zieht im Unterschied zu anderen ähnlichen Kompilationen möglichst viele Quellen heran und zeigt die humanistische Einstellung O.s, der sich nicht auf die Praxis, sondern auf die theoretische Begründung des Rechts berief. Ebenfalls 1550 erschien in Basel seine an die zeitgenössischen Fürstenspiegel angelehnte Abhandlung "De officio et potestate principis", die stärker als ihr Vorbild, die "Institutio" des Erasmus, rechtswissenschaftlich-systematisch aufgebaut ist und noch im 17. Jh. rezipiert wurde. Sein wohl wichtigstes Werk "De civili politia libri III" erschien 1563 in Köln mit einer Widmung an Kaiser Ferdinand I.

Ob O. 1540-65 tatsächlich eine Rechtsprofessur an der Univ. Köln innehatte, ist nicht belegt, zumindest hielt er Privatvorlesungen und verfaßte gelegentlich jur. Gutachten für den Kölner Rat. Seine religiöse Haltung blieb unentschieden: äußerlich katholisch, entsprach seine Überzeugung wohl der reformkatholisch orientierten konfessionsneutralen Position des Jülicher Hofes. Nach einem Reitunfall 1562 zog O. sich auf sein in (Leverkusen-)Wiesdorf erworbenes Landgut zurück; die sog. "Doktorsburg" ist heute Seniorenheim der Stadt Leverkusen.

Qu Bernhard Omphal [d. Ä.], Epistolae aliquot familiares eiusdem D. Iacobi Omphalii, Köln 1591; Das Buch Weinsberg, Kölner Denkwürdigkeiten aus d. 16. Jh., hg. v. K. Höhlbaum u. F. Lau, III-V, 1887-1926; Hist. Archiv d. Stadt Köln; HStA Düsseldorf.

L ADB 24; W. Harleß, Ber. d. Kurköln. Rats J. O. v. Reichstage zu Speyer (1544), in: Zs. d. Berg. Gesch.ver. 30, 1894, S. 172-79; J. J. Höveler, Iacobus O. Andernacus, in: Jb. d. Progymnasiums zu Andernach 1899/1900, S. 3-28; G. Bers, Anmerkungen zu d. Widmungsvorreden e. Kölner Humanisten, Zur lit. Tätigkeit d. J. O., in: Humanismus in Köln, hg. v. J. Mehl, 1991, S. 175-208 (W-Verz.); B. Ruthmann, Rel.prozesse am Reichskammergericht (1555-1648), 1996; Ernst v. Oidtman u. seine geneal.-herald. Slg. in d. Univ.bibl. zu Köln, bearb. v. H. M. Schleicher, 1996, S. 99-504; M. Philipp, J. O., De officio et potestas Principis, 1550, in: Fürstenspiegel d. Frühen Neuzeit, hg. v. H.-O. Mühleisen, Th. Stammen u. M. Philipp, 1997, S. 116-65.

P Porträtmedaille im Köln. Stadtmus., Abb. bei G. Bers (s. L), S. 206.

Stefan Ehrenpreis
 

© NDB: Alle Urheberrechte dieser elektronischen Publikation besitzt die Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Für elektronisch publizierte Texte gelten dieselben Copyright-Bedingungen wie für eine gedruckte Veröffentlichung.

Stichtag: 1. 7. 1998
Seite erstellt: 14. 7. 1999
Letzte Änderung: 6. 4. 2000



Inhaltsverzeichnis / ContentsEnglish version
 

(1)  Kontakt und Impressum

(2) Aufgaben und Ziele der NDB

(3) Richtlinien für die Erstellung von Beiträgen für die NDB

(4) Musterartikel

(5) Übersicht der vorliegenden Bände

(6) Ressorts in der Redaktion der NDB

(7) Mitarbeiter(innen) in der Redaktion der NDB

(8) Personenregister zur NDB

(9) Autoren und Mitarbeiter der NDB

(10) Abkürzungsverzeichnis

(11) Anfrageformular

(12) Weiterführende Literatur zur NDB

(13) Weitere historisch-biographische Informationsmittel
 


Die Internet-Präsentation der NDB wird seit 1997 betreut von Bernhard Ebneth.
Für die folgenden Angaben, insbesondere für die Verknüpfungen zu anderen Seiten kann keine Haftung übernommen werden.
Ergänzende oder korrigierende Hinweise, Kritik und Vorschläge zu inhaltlichen und technischen Fragen werden jederzeit gerne entgegengenommen und soweit möglich bei der laufenden Neugestaltung der folgenden Seiten berücksichtigt.
Falls Sie Fragen oder Anregungen zum Inhalt der Seiten haben, senden Sie am besten eine e-mail. Sie können sich aber auch telephonisch (++49-89-23031-1155) per Fax (++49-89-23031-1282) oder postalisch an die Redaktion wenden.
 


Zurück zum Anfang.

Zurück zur Startseite.

Zurück zur Historischen Kommission.

Zurück zur Akademie.


Seite erstellt: 14. 7. 1999

Letzte Änderung:  28. 10. 2004 


Copyright (C) 1997-2004 Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Marstallplatz 8, D - 80539 München.