NEUE DEUTSCHE BIOGRAPHIE NDB

(10) Musterartikel aus NDB 19:

Ortloff, Friedrich, Jurist, * 10. 10. 1797 Erlangen, + 10. 10. 1868 Jena. (ev.)

V Johann Andreas (1769-1828), Schuhmacher, später Prof. d. Phil. in E., 1803 Polizeidir. u. Hofrat in Coburg, Vf. v. Schrr. z. Handwerker- u. Innungsrecht (s. W, L), S e. Schuhmachers in Coburg, u. d. N. N. Hoflender (+ 1769); M Anna Elisabeth Sophie Dürr, T e. Malers; oo 1) Amalie, T d. Johann Christian Stark d. Ä. (1753-1811), auf Leutenthal b. Weimar, Prof. d. Med., Chirurgie u. Geburtshilfe in J., Leibarzt d. Hzg. Karl August v. Sachsen-Weimar, GHR, Mitgl. d. Leopoldina (s. ADB 35), 2) N. N.; Schwager Karl Wilhelm Stark (1787-1845), Prof. d. Med. in J., Christian Ludwig Wilhelm Stark (1790-1818), ao. Prof. d. Theol. u. Philos. in J. (beide s. ADB 35); 4 überlebende K aus 1), u. a. Hermann (1828-1920), Dr. iur., ao. Prof. d. Rechte in J., Landger.rat in Weimar, Vf. strafrechtl. Schrr. (s. Wi. 1914; DBJ II, Tl.; L), 3 überlebende K aus 2); E Wilhelm (* 1870), Dr. phil., Oberlehrer an d. Realschule in Bad Wildungen, Alfred (* 1872), Hofphotograph in Ansbach, Bes. e. Photograph. Kunstanstalt.

Nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Jena, Göttingen und Erlangen wurde O. 1816 zunächst Hofadvokat in Coburg und erhielt 1819 eine Professur für deutsches Privatrecht an der Univ. Jena. Damit war auch die Aufnahme in den Jenaer Schöppenstuhl verbunden, so daß sich eine dauerhafte Verbindung zur juristischen Praxis ergab. Seit 1826 war O. als Rat an dem 1817 für die thüring. Staaten eingerichteten Oberappellationsgericht Jena tätig; daneben las er bis 1844 als Honorarprofessor an der Universität. Er wurde 1844 Präsident dieses Gerichts und verblieb in dieser Stellung bis zu seinem Tode. Die Rechtsprechung des Jenaer Gerichts zeichnete sich im Vergleich zu der anderer deutscher Obergerichte durch besondere Fortschrittlichkeit aus, woran O. wohl sehr großen Anteil hatte.

Er war auch an der Gesetzgebungsarbeit seiner Zeit beteiligt. Nach der Revolution von 1848 redigierte er 1848/49 die Gesetzgebungsentwürfe für eine thüring. Strafprozeßordnung und ein thüring. Strafgesetzbuch, die 1850 in Kraft traten. Er leitete jeweils die hierfür von den thüring. Staaten eingesetzten Kommissionen. Ferner war er seit 1856 Vertreter der thüring. Staaten in der Kommission zur Ausarbeitung des sächs. bürgerlichen Gesetzbuchs. Als solcher hatte er maßgeblichen Anteil am endgültigen Text des Gesetzbuchs von 1863, das allerdings nur in Sachsen, nicht in Thüringen in Kraft trat. Oft wurden seine Entwürfe ohne Veränderung übernommen, so vor allem im allgemeinen Teil und dem allgemeinen Schuldrecht. Dieselbe Sächs.-Thüring. Kommission erstellte auch den Entwurf einer Zivilprozeßordnung, der jedoch nicht in Kraft trat.

O.s literarische Tätigkeit begann mit einer Schrift "Über die Erziehung zum Bürger" (1818). Als Jenaer Professor verfaßte er "Grundzüge eines Systems des deutschen Privatrechts mit Einschluß des Lehnrechts" (1829). Das Lehrbuch bietet den Stoff nach dem Pandektensystem und beschränkt sich hauptsächlich auf eine Zusammenstellung von Literatur und Quellen. O. erwarb sich ferner durch kritische Editionen Verdienste um die deutsche Rechtsgeschichte. Er veröffentlichte zwei Bände von "Sammlungen deutscher Rechtsquellen". Der erste Band ediert "Das Rechtsbuch nach Distinktionen" (1836), auch als "Meißner Rechtsbuch" bezeichnet, und das sogenannte "ältere Eisenacher Rechtsbuch". Beim Meißner Rechtsbuch handelt es sich um eine vom gelehrten Recht beeinflußte Umarbeitung des Sachsenspiegels aus dem 14. Jh., die in Mitteldeutschland und (teilweise in tschech. Übersetzung) in Böhmen stark verbreitet war. Der zweite Band der Sammlung bringt "Das Rechtsbuch Johann Purgoldts nebst statutarischen Rechten von Gotha und Eisenach" (1860). O.s Editionen des Meißner Rechtsbuchs und des Rechtsbuchs Johann Purgolds ("jüngeres Eisenacher Rechtsbuch") wurden bisher nicht durch neuere Ausgaben ersetzt. Sein letztes, teilweise postum erschienenes Werk ist eine vierbändige "Geschichte der Grumbachschen Händel" (1868-70). Diese Darstellung behandelt die wichtigste politische Auseinandersetzung in Thüringen während der zweiten Hälfte des 16. Jh.; sie beruht auf gründlichem Aktenstudium und ist bis heute ein Standardwerk geblieben.

In der deutschen Rechtswissenschaft ist O. als germanistischer Vertreter der historischen Schule einzuordnen. Die intensive Beziehung zur Praxis und sein maßgeblicher Anteil an der sächs. Zivilgesetzgebung machen ihn zu einem Sonderfall unter den juristischen Germanisten des 19. Jh.

W zu Johann Andreas: Hdb. d. Lit. d. Gesch. d. Philos., 1798, Nachdr. 1967 (mit e. Vorw. v. L. Geldsetzer u. e. Register v. U. Geldsetzer); Das Recht d. Handwerker, nach allg. teutschen Reichsgesetzen überhaupt u. mit bes.. Rücksicht auf d. allg. Landrecht u. a. Innungsgesetze f. d. K. Preuß. Staaten ..., 1803, 21818; Corpus Juris Opificiari od. Slg. v. allg. Innungsgesetzen u. Verordnungen f. d. Handwerker, 1803, 21820.

L ADB 24; Hermann Ortloff, in: Bll. f. Rechtspflege in Thüringen u. Anhalt 16, 1869, S. 53-64; F. Wulfert, Das sächs. bürgerl. Gesetzbuch u. die z. Revision d. Held'schen Entwurfs eingesetzte Comm., in: Sächs. Archiv f. Bürgerl. Recht 1, 1891, S. 42-58; Stintzing-Landsberg; Ch. Ahcin, Zur Entstehung d. bürgerl. Gesetzbuchs für d. Kgr. Sachsen v. 1863/65, 1996, S. 263-303. - Zu Johann Andreas: Hamberger-Meusel, V, X, XI, 14 u. 19; G. W. A. Fikenscher, Vollst. akadem. Gel.-Gesch. d. kgl.-pr. Friedrich-Alexanders-Univ. zu Erlangen, III, 1806; NND VI, 1828.

Peter Landau
 

Quelle: http://www.ndb.badw-muenchen.de/NDB_Musterartikel_Ortloff.htm
 

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Stichtag: 1. 7. 1998
Seite erstellt: 24. 6. 1999
Letzte Änderung: 6. 4. 2000


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(1)  Kontakt und Impressum

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(4) Musterartikel

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(6) Ressorts in der Redaktion der NDB

(7) Mitarbeiter(innen) in der Redaktion der NDB

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(9) Autoren und Mitarbeiter der NDB

(10) Abkürzungsverzeichnis

(11) Anfrageformular

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Seite erstellt: 11. 11. 2000

Letzte Änderung:  15. 7. 2002 


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