NEUE DEUTSCHE BIOGRAPHIE | NDB |
Traditionelle
und zukunftsorientierte Ansätze biographischer Forschung und Lexikographie,
Symposium des Instituts Österreichisches
Biographisches Lexikon und biographische Dokumentation, abgehalten
in der Österreichischen Akademie der
Wissenschaften am 14. und 15. November 1997, Herausgeber: Peter Csendes,
Elisabeth Lebensaft, Redaktion: Peter Csendes, Elisabeth Lebensaft, Christoph
Mentschl, Johannes Seidl, Englische Textrevision: John H. Meyer, Graphische
Gestaltung: Roland Feigl [= Österreichisches Biographisches Lexikon,
Schriftenreihe 4], Wien 1998, S. 71-80
Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung wie Vervielfältigungen,
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Für Zitate sollte die gedruckte Publikation herangezogen werden,
wo auch weiterführende Anmerkungen und Nachweise zu finden sind.
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der Österreichischen Akademie der Wissenschaften oder an die ÖBL-Redaktion.
Biographische Lexika im digitalen Zeitalter
Bernhard Ebneth
Im vergangenen Jahrzehnt ist auf dem Buchmarkt eine so große Fülle
von Einzel- und Sammelbiographien erschienen wie in keinem früheren
Vergleichszeitraum.
Gleichzeitig haben sich die Informations- und Kommunikationsstrukturen
durch die technischen Möglichkeiten der neuen digitalen Medien so
rasch geändert wie nie zuvor.
Scheinbar besteht zwischen diesen beiden Entwicklungen keine unmittelbare
Relation. Zwar haben sich, ausgelöst durch die forcierte Umstellung
vom herkömmlichen Blei- zu modernen Lichtsatz- bzw. Digitaldruckverfahren
bei den Verlagen und zwangsläufig auch bei den Autoren sowie in den
Redaktionen die Arbeitsprozesse stark verändert, doch dem Buch als
Endprodukt ist in der Regel kaum anzusehen, daß es technisch grundlegend
anders entsteht als seine Vorgänger in früheren Jahrhunderten.
Entgegen einzelnen Prognosen wird das Buch auch auf lange Sicht sicher
nicht verschwinden, allerdings zeichnen sich für die nächste
Zukunft doch erhebliche Veränderungen und erweiterte Möglichkeiten
des Publizierens ab.
Diese erfährt man am deutlichsten in den großen Bibliotheken.
Weltweit sind dort nicht nur die Kataloge von den traditionellen Karteikästen
weitgehend auf Online-Nutzung umgestellt, da die enormen Mengen von Buch-
und Zeitschriftenbestellungen anders offenbar nicht mehr zu organisieren
sind. Ein großer Teil der Literaturrecherchen und der gesamte Ausleihverkehr
werden nur noch elektronisch durchgeführt. Darüber hinaus sind
die Kataloge mehrerer Bibliotheken inzwischen 'online' zu sog. "Virtuellen
Katalogen" zusammengeschlossen.
Nach den Katalogen werden die Texte folgen.
Das Projekt einer "Digitalen Bibliothek" wird - ähnlich wie in
anderen Ländern auch in Deutschland - gemeinsam mit der Deutschen
Forschungsgemeinschaft besonders an den Staatsbibliotheken in Göttingen
und München vorangetrieben. Dies bedeutet nicht nur, daß elektronische
Datenträger systematisch gesammelt und bereitgehalten werden, sondern
auch, daß bereits vorhandene oder neu zu erstellende Texte, insbesondere
Bibliographien, Editionen, Lexika sowie Zeitschriften usw. künftig
digital gespeichert und den Benutzern - teils intern, teils im Fernleiheverfahren
- zugänglich gemacht werden.
Welche Bedeutung hat dies für die biographischen Lexika?
Bevor diese Frage erörtert werden kann, zunächst ein kurzer
Vergleich zwischen traditionellen und neuen Medien:
Bei den bekannten Vorzügen des klassischen Buchs ist vor allem
die erprobte Haltbarkeit und die Unabhängigkeit von technischen Hilfsmitteln
zu nennen. Disketten und Festplattenspeicher, wohl auch CD-ROMs und neuere
Datenträger wie DVDs weisen auch künftig eine deutlich kürzere
"Halbwertszeit" auf. Die Lesbarkeit und Lebensdauer wird nicht nur durch
physikalische Faktoren begrenzt, noch gravierender ist die Abhängigkeit
von der passenden Hard- und Software, die in immer kürzeren Zyklen
zu erneuern sind. Bei längerfristigen Projekten ist auch die Archivierungsproblematik
zu beachten.
Die entscheidenden Vorteile elektronischer Datenträger liegen jedoch in der Geschwindigkeit und Flexibilität des Informationstransfers sowie in den überaus variablen Recherche- und Verarbeitungsmöglichkeiten, besonders bei größeren und fluktuierenden Datenmengen. Auch Kostenfaktoren und Förderungsvoraussetzungen gewinnen infolge zunehmender Sparzwänge an Bedeutung. Aus den kürzeren Produktionszyklen resultiert auch ein Aktualitätsgewinn. "Man wird vor allem dort die elektronische Publikation vorziehen, wo die Daten [...] flexibel und beweglich gehalten werden müssen und das notwendigerweise 'starre' Buch solchen Anforderungen grundsätzlich nicht gerecht werden kann".
Die unterschiedlichen Qualitäten beider Medien sind durchaus vereinbar. In der Praxis basiert heute nahezu jedes neue Buch auf Texten (und Bildern), die zuvor elektronisch erstellt wurden. Diese Daten können prinzipiell jederzeit auf digitale Medien gespeichert werden. Die systematische Strukturierung auf einer CD-ROM und eine ebenso ansprechende wie klare graphische und technische Gestaltung bilden zwar durchaus diffizile Aufgaben für Autoren, Redakteure, Graphiker und 'Screen-Designer', doch sind diese Probleme nach dem aktuellen Stand der Technik durchaus zu bewältigen.
Oft ist es eine primär verlegerische Entscheidung, ob eine bestimmte Publikation als Buch oder als CD-ROM oder in beiden Medien gleichzeitig favorisiert wird. Allerdings sollte dabei jeweils der optimale Nutzen und Gebrauchswert für die Forschung, für Produzenten und Rezipienten der entsprechenden Texte bzw. 'Daten' möglichst angemessen berücksichtigt werden.
In welchem Umfang und in welcher Qualität die Herausgeber und Redaktionen biographischer Lexika oder ähnlicher Nachschlagewerke bisher die neuen elektronischen Möglichkeiten adaptiert haben, möchte ich anhand ausgewählter Beispiele darlegen. Grundsätzlich bestehen Unterschiede zwischen älteren Projekten, die z. T. seit etwa 50 Jahren in traditioneller Weise fortschreiten, und jüngeren Lexika, die - erst in den letzten Jahren begonnen - die Optionen moderner Datentechnologie von Anfang an systematischer einsetzen konnten.
Sowohl bei den nationalen Biographien als auch bei anderen Nachschlagewerken, die von Institutionen der historischen Forschung erarbeitet werden, dominiert bislang eindeutig die klassische Buchpublikation. Ausgelöst durch die Einführung des Lichtsatzverfahrens wurden auch die Lexika-Redaktionen dazu veranlaßt, satzfertige Disketten bei den Druckereien abzuliefern. Mit der Erarbeitung solcher digitaler Druckvorlagen war eine nicht unerhebliche Umstellung in der gesamten Redaktionsarbeit verbunden. Nicht nur die Artikel, sondern auch die Korrespondenz wurden zunehmend mit Hilfe von Computern und Schreibprogrammen erstellt. Zumindest teilweise wurden auch die über Jahrzehnte kontinuierlich erweiterten Personenkarteien in EDV-Datenbanken erfaßt und organisiert. Die damit verbundenen redaktionsinternen organisatorischen Aspekte möchte ich hier aussparen und die Aufmerksamkeit eingehender den neuen Publikationsformen und deren Bedeutung für biographische Lexika zuwenden.
Als digitale Medien für eine Publikation (oder auch nur Präsentation) biographischer Lexika kommen zur Zeit wegen allgemein akzeptierter technischer Standards primär die CD-ROM und das Internet in Betracht.
Wenngleich das Buch nach wie vor als der bevorzugte Informationsträger gelten kann, so werden inzwischen doch immer mehr Editionen und Lexika - meist parallel zur gedruckten Ausgabe - auch auf CD-ROM angeboten. Von den klassischen Nationalbiographien liegen dagegen in dieser Form, soweit mir bekannt, bisher nur das 1885 begonnene und 1990 abgeschlossene Dictionary of National Biography (DNB) von Oxford University Press sowie die ersten 12 Bände des Australian Dictionary of Biography (ADB) vor. Als ein weiteres Lexikon mit biographischen Artikeln ist zudem die 1970/71 erschienene Encyclopædia Judaica (EJ) als CD-ROM verfügbar. Sicher ist es kein Zufall, daß alle diese Beispiele dem angelsächischen Sprachraum zuzuordnen sind.
Zu den entscheidenden Vorzügen elektronischer Datenträger zählt neben den kürzeren Zugriffszeiten die Option der schnellen Revision und Ergänzung. Daher ist es naheliegend, daß primär auf Aktualität angelegte Nachschlagewerke die digitalen Möglichkeiten am konsequentesten genutzt haben. So erscheint das bisher - und auch weiterhin - als Loseblattsammlung herausgegebene Biographische Archiv des Munzinger-Verlags seit 1995 mit monatlichen Update-Versionen auch auf CD-ROM. Während bei der herkömmlichen Publikationsform ein unmittelbarer Zugang ausschließlich über den Namen der jeweils gesuchten Person möglich ist, so gestattet die CD-ROM außerdem komfortable, durch Indizes unterstützte Volltextrecherchen. Dank einer geschickten Konzeption können auch Artikel angezeigt werden, in denen bestimmte Personen in anderem Zusammenhang genannt werden. Darüber hinaus ist es sehr viel rascher möglich, sich z. B. über bestimmte Berufsgruppen oder Themenbereiche einen Überblick zu verschaffen.
Zu einigen Regionen und Städten oder zu bestimmten Themen werden zunehmend CD-ROMs erstellt, die nicht selten für die Landesgeschichte durchaus ansprechende biographische Informationen enthalten. Als Beispiele möchte ich Produktionen des Landesarchivs Karlsruhe zur Geschichte des Parlamentarismus in Baden, der Gesellschaft zur Förderung von Beschäftigung, Bildung und neuen Berufen (GBBB) mit Angaben über auf historischen Friedhöfen in Berlin bestattete Persönlichkeiten oder zum 18. Jahrhundert nennen. Für Juristen der Frühen Neuzeit ist auf das im Alphabet leider bei 'E' steckengebliebende Biographische Repertorium zu verweisen. Nicht zuletzt haben die wichtigen geschichtswissenschaftlichen Bibliographien die CD-ROM als geeignetes Medium entdeckt.
Globale Ambitionen verfolgt der World Biographical Index (WBI). Dieser dient als kumuliertes Register zu den Mikrofiche-Editionen der Biographischen Archive. Der WBI enthält in der dritten Auflage zu etwa 1,7 Mio. Personen vom 16. Jahrhundert bis in die 1950er Jahre die Lebensjahre (oder ein Jahr der Erwähnung), eine Berufsbezeichnung, die Sigle des herangezogenen Nachschlagewerks sowie die Angabe des jeweiligen Archivs und des einzelnen Fiches. Für eine zweckmäßige Nutzung sollten die CD-ROM und die Mikrofiches möglichst parallel zur Verfügung stehen, was z. Zt. nur bei relativ wenigen Institutionen der Fall sein dürfte. Hohe Kosten sind sicher ein Hindernis für die weitere Verbreitung eines nützlichen Arbeitsinstruments. Außerdem ist stets zu berücksichtigen, daß die Informationen der Mikrofiche-Edition nur den Kenntnisstand des ausgehenden 18. Jahrhunderts bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wiedergeben und keine neuere Forschung enthalten. Andererseits bieten gerade die älteren, meist regional ausgerichteten und andernorts nur schwer zugänglichen Nachschlagewerke vielfach Angaben, die man sonst in dieser Fülle kaum noch finden dürfte. Insofern stellt der WBI in Verbindung mit den entsprechenden Mikrofiche-Editionen gerade für historische und biographische Fragen ein hervorragendes Hilfsmittel dar.
Für die Neue Deutsche Biographie (NDB) ist geplant, zusätzlich zu den einzelnen gedruckten Bandregistern ein kumuliertes Register für die bereits vorliegenden Bände zu erstellen und als CD-ROM zu publizieren. Ein Probelauf, bei dem ein Bandregister eingescannt, in eine Textdatei umgewandelt, inhaltlich ergänzt und schließlich in eine Access-Datenbank konvertiert wurde, verlief im August und September 1997 erfolgreich. In Abstimmung mit der Bayerischen Staatsbibliothek könnte demnächst eine Entscheidung der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften erfolgen. Da in den bisher erschienenen 18 Bänden etwa 55.000 Registereinträge mit Sterbejahren und Berufsangaben zu finden sind, würde der Zugriff durch ein Gesamtregister auf CD-ROM erheblich erleichtert. In vielen Fällen könnte der Benutzer sich schon am PC daheim oder im Büro orientieren, ob ein Blick in die NDB erfolgversprechend ist.
Ein auf CD-ROM gespeicherter Inhalt kann, sobald die Struktur festgelegt ist, inhaltlich sehr einfach ergänzt und aktualisiert werden, sodaß jeweils innerhalb weniger Monate entsprechende Neuauflagen bzw. 'updates' vorgelegt werden können. Im Unterschied zu biographischen Lexika, die in der Regel streng alphabetisch vorgehen, ist es - ähnlich den Loseblattsammlungen - für die auf CD-ROM publizierten Datenbanken prinzipiell gleichgültig, in welcher Reihenfolge die Artikel erstellt werden. Dadurch wäre es Herausgebern und Redaktoren möglich, unmittelbarer auf neuere wissenschaftliche Erkenntnisse oder Perspektiven zu reagieren. Bei der traditionellen Vorgehensweise ist dagegen jeweils für einen bestimmten alphabetischen Bereich vorab eine sorgfältige Auswahl zu treffen, die einerseits relativ große Anstrengungen für eine inhaltliche und terminliche Koordination verlangt und andererseits dann (bis zu eventuellen Nachtragsbänden) irreversibel ist. Herausragende Personen, die ein größeres Interesse beanspruchen können, stehen neben anderen, deren Leistungen vielleicht nur für ein Spezialgebiet wichtig sind. Der Aufwand für die Erstellung einer solchen seltener gesuchten Kurzbiographie ist oft wesentlich größer, allerdings auch der Erkenntnisgewinn. Mitunter gibt es Fälle, in denen es sich mangels Quellen als problematisch erweist, innerhalb einer begrenzten Frist ausreichende Informationen zu Lebenslauf und Leistung zu finden oder einen geeigneten Autor zu gewinnen. Bei jedem fertigen Band kann es daher vorkommen, daß einzelne Personen aus unterschiedlichen Gründen nicht angemessen oder gar nicht berücksichtigt werden. Eine flexible, kontinuierlich ergänzte und aktualisierte Datenbank könnte dazu beitragen, solche Probleme zu vermeiden.
Bei einer vom Diktat des Alphabets losgelösten Vorgehensweise kann bei der Reihenfolge der Bearbeitung stärker nach der Bedeutung einzelner Personen bzw. nach gegenwärtigen Erkenntnisinteressen gewichtet werden, und neue Studien könnten auf dem elektronischen Weg rascher ihren Weg zu einem interessierten Publikum finden. Bei dringendem Bedarf könnten Texte, deren Aussagen obsolet oder widerlegt sind, durch revidierte Artikel ersetzt werden, die den aktuellen Forschungsstand besser wiedergeben.
Dieselben praktischen Vorteile der CD-ROM unter den Aspekten Aktualität, Revisionsfähigkeit, Verfügbarkeit, Zugriffszeiten, redaktioneller Arbeitsplanung sowie Kostenaufwand treffen ebenso oder in noch höherem Ausmaß für das zweite digitale Medium zu: Das Internet, in jüngster Zeit auch in der öffentlichen Diskussion viel beschworen, dürfte wegen seiner noch stärker ausgeprägten Flexibilität, seiner (zumindest theoretisch) allgemeinen Verfügbarkeit und Verbreitung und wegen der größeren Aktualität längerfristig an Bedeutung gewinnen, auch und gerade für Publikationen lexikalischen Charakters.
Die Annäherung an das Internet erfolgt in der Regel in mehreren Stufen:
Ähnlich den Universitäten, Bibliotheken, Museen, Archiven und anderen Forschungseinrichtungen sind einige der nationalen biographischen Lexika im Internet bereits mit eigenen 'homepages' repräsentiert, zumindest im Rahmen der Einrichtung, durch die sie getragen werden. Hier sind vor allem das Historische Lexikon der Schweiz (DHS / HLS / DSS), die Koninklijke Bibliotheek - Nationale bibliotheek van Nederland, die Österreichische Akademie der Wissenschaften bzw. deren Verlag, die Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Oxford University Press und die Research School of Social Sciences der Australian National University zu nennen. Meist finden sich Angaben zur Konzeption und Organisation, Übersichten der bisher erschienenen Bände, z. T. mit elektronischer Bestellmöglichkeit, sowie weiterführende Literaturhinweise.
Als nächster Schritt folgen meist Listen der bisher berücksichtigten Namen. Das Biographisch Woordenboek van Nederland (BWN) verzeichnet z. Zt. 1.626 "minibiografieën", das Lexikon des Mittelalters (LexMA) bei mehr als 31.000 Stichworten schätzungsweise 8.000 Personennamen, das Biographisch-bibliographische Kirchenlexikon (BBKL) annähernd 15 .000 Namen. Das Kritische Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur (KLG) bzw. das Kritische Lexikon zur fremdsprachigen Gegenwartsliteratur (KLfG) nennen etwa 560 bzw. 400 zeitgenössische Autorinnen und Autoren. Ebenfalls bei der edtion text + kritik findet man darüber hinaus 550 Komponisten der Gegenwart. Der CineGraph - Lexikon zum deutschsprachigen Film bietet als Register für die ersten 27 Lieferungen seiner Loseblattsammlung mehr als 800 Namen verstorbener Filmregisseure, Schauspieler, Produzenten, Kameraleute und Komponisten.
Den letzten Schritt, auch komplette Artikel im Internet zu publizieren, haben bisher nur wenige Redaktionen gewagt. So sind einige neuere Artikel des BBKL, soweit die Autoren einverstanden waren, in elektronischer Form publiziert; ähnliches gilt für den CineGraph. Gegen Gebühr können außerdem verschiedene biographische Datenbanken wie das bereits erwähnte Munzinger-Archiv, der Internationale Biographische Index (WBI), das Allgemeine Künstlerlexikon (AKL), die Deutsche Biographische Enzyklopädie (DBE) oder das deutsche Who is who? herangezogen werden. Daneben bietet das Internet ein unübersehbares Sammelsurium biographischer Informationen unterschiedlichster Qualität und Quantität, worauf hier nicht näher einzugehen ist.
Von den etablierten biographischen Lexika ist, soweit mir bekannt, neben dem Schweizer Historischen Lexikon z. Zt. das Instituut voor Nederlandse Geschiedenis hinsichtlich der Nutzung der neuen digitalen Möglichkeiten am weitesten fortgeschritten. Daher soll dieses Beispiel hier etwas ausführlicher vorgestellt werden.
Für die ersten vier Bände des Biografisch Woordenboek van Nederland (BWN) sind via Internet die Namen der bisher behandelten mehr als 1.600 Personen jeweils mit Geburts- und Sterbejahr, Beruf und Bandangabe bezeichnet. Analog zu allen derartigen Listen ist dies sehr zweckmäßig, da man bereits auf diesem Weg schnell und zuverlässig ermitteln kann, ob es erfolgversprechend ist, die bereits gedruckten Bände des BWN in einer Bibliothek in die Hand zu nehmen.
Für den 5. Band geht das BWN noch einen entscheidenden Schritt weiter:
Die jeweils neuen Artikel werden im Volltext im Internet präsentiert:
Die Darstellung ist, analog zur gedruckten Ausgabe, sehr systematisch gegliedert:
1. Die Kopfzeile enthält die engeren biographischen Daten (mit genauen Tages- und Ortsangaben) sowie Angaben über Eltern, Ehepartner, Kinder.
2. Danach folgt der eigentliche, zumeist recht ausführliche Text (bis zu drei Seiten) zur Laufbahn und zu den wichtigen Leistungen.
3. Daneben findet sich jeweils ein Porträt.
4. Am Ende stehen archivalische und bibliographische Nachweise, z. B. zum Nachlaß,
5. zu Werken des Dargestellten,
6. zur Sekundärliteratur,
7. ein Abbildungsnachweis und
8. schließlich der Name des Autors.
Ein geschickter Einfall besteht darin, daß die inhaltlich-technische Funktion jedes dieser Elemente wie Genealogie, Text, archivalische Quellen, Primär- und Sekundärliteratur durch Symbole wie einen Baum ("Genealogisch kader") oder eine Seite ("Tekstgedeelte") sowie durch die Buchstaben "A" ("archiefbewaarplaatsen"), "P" ("publikaties ... van de beschrevene"), "L" ("literatuur") und "I" ("Informatie" als Porträtnachweis) kenntlich gemacht ist. Durch einen Mausklick läßt sich ein Kommentarfenster öffnen. Jedem Artikel geht eine Information über Zitierrichtlinien und Urheberrechte voraus.
Die Internet-Präsentation des BWN nutzt meines Erachtens optimal die aktuellen Möglichkeiten des digitalen Zeitalters. Technisch und formal könnten ähnliche Lösungen mit geringfügigen Modifikationen auch von anderen biographischen Lexika übernommen werden.
Zu klären ist die - allerdings mehr verlegerische als redaktionelle - Frage, ob bzw. wie weit man Informationen über das Internet verbreiten möchte, ohne den Absatz der gedruckten Veröffentlichung zu beeinträchtigen. Für wissenschaftliche Publikationen müssen die Zitierstandards noch genauer definiert werden. In finanzieller Hinsicht wäre zu prüfen, ob für entsprechende biographische Informationen ein einfaches und zugleich sicheres Verfahren für eine differenzierte Erhebung von Gebühren eingerichtet werden könnte.
Eine überaus bemerkenswerte Entwicklung ist auch beim HLS eingetreten. War bisher zunächst die Printpublikation und eine anschließende elektronische Publikation vorgesehen, so hat sich inzwischen die Präferenz verlagert. Der Zeitpunkt für die Fertigstellung eines Sammelbands oder Lexikons wird, wenn man die Leser nicht auf Nachträge vertrösten will, immer durch die 'Nachzügler' bestimmt. Damit die Masse der bereits vorliegenden Texte nicht warten muß, bis auch der letzte Artikel eingereicht, bearbeitet und übersetzt worden ist, so ist infolge der weitaus flexibleren technischen Möglichkeiten beim HLS ab 1998 nun zuerst die Veröffentlichung im Internet vorgesehen, während die auf insgesamt 39 Bände angelegte viersprachige gedruckte Ausgabe erst 2001 folgen soll. Die unübersehbaren Vorteile des elektronischen Publizierens könnten somit schon jetzt voll genutzt werden.
Es mangelt im Internet nicht an teils fundierten, teils eher fragwürdigen Informationsmöglichkeiten zu Personen. Die biographischen Lexika, die in ihrer Systematik und Methodik, in ihrer Zuverlässigkeit und Verifizierbarkeit der Inhalte gewisse Standards gesetzt haben, sollten sich meines Erachtens verstärkt bemühen, auch in den neuen elektronischen Medien Präsenz zu beweisen, um dieses expandierende Forum nicht nur manchmal primär kommerziellen, manchmal technisch ansprechenden, für wissenschaftliche Ansprüche aber unzureichenden Angeboten zu überlassen.
Sicher müssen in dieser Richtung viele weitere finanzielle, rechtliche, technische, inhaltliche und formale Fragen diskutiert werden, die hier nur angedeutet werden konnten. Doch je mehr die Vernetzung zunimmt, desto stärker wird sich bei Wissenschaftlern, Redakteuren, Studenten oder anderen Nutzern die Neigung entwickeln, zunächst die im Internet leicht zugänglichen Ressourcen auszuschöpfen und nur dann, wenn es erfolgversprechend oder unumgänglich ist, auch Bibliotheken aufzusuchen, um die jeweils am besten geeigneten biographischen Lexika zu konsultieren. Dabei wird selbst in den Bibliotheken immer häufiger der Zugriff auf Datenbanken offeriert werden. Zeit- und Kostenfaktoren werden in Zukunft noch stärker dazu zwingen, jeweils den schnellsten und einfachsten Weg der Informationsbeschaffung zu wählen.
Es liegt einerseits bei den Nutzern, andererseits auch bei den materiellen, organisatorischen und ideellen Trägern und Förderern sowie bei den Leitern und Mitarbeitern der existierenden biographischen Lexika, in welcher Qualität und auf welchem Weg innerhalb veränderter Informations- und Kommunikationsstrukturen fundierte und zuverlässige Angaben über Menschen und ihre Leistungen verbreitet werden.
Als Ausblick möchte ich zur Diskussion stellen, welche Formen der Publikation und der Kooperation zwischen den einzelnen biographischen Lexika angestrebt werden könnten.
Wenn wir etwas weiter in die Zukunft blicken, so wäre vorstellbar,
daß in Europa an einem zentralen Server eine gemeinsame Recherchemaske
und ein kumulativer Index für mehrere kooperierende biographische
Lexika gepflegt wird. Je nachdem, welcher Name von einem Nutzer für
eine Suche im Internet angeklickt wird, könnte dann ein 'link' auf
den jeweils 'zuständigen' Server in Wien, Bern oder München,
in Oxford, Paris oder 'sGravenhage, in Prag, Warschau oder Budapest
verweisen. Dort wären jeweils weiterführende Informationen zu
Lebensdaten, Familie, Lebenslauf, Wirkung, Werkverzeichnissen, Bibliographie
und Porträts abzurufen. Zumindest technisch sind wir von einer solchen
europäisch vernetzten Lösung nicht allzu weit entfernt. Sollte
es nicht möglich sein, analog zu den Bibliothekskatalogen, auf übernationaler
Ebene auch ein virtuelles biographisches Lexikon zu beginnen?
Anhang: Präsenz biographischer Lexika in elektronischen Medien (Stand: November 1999)
In aktualisierter Form jetzt: Bernhard
Ebneth: Nationale
und internationale biographische Lexika in elektronischen Medien
URL: http://www.ndb.badw.de/eb_lexika.htm
(Stand: Februar 1998)
Lexikon | Institution | CD-ROM | Internet | ||
homepage | Stichwortliste | Volltextartikel | |||
ADB | Austral. Nat. Univ. | ja | ja | - | - |
BWN | Koninklijke Bibliotheek | - | ja | ja | ja |
DNB | Oxford Univ. Press | ja | (Verlag) | - | - |
New DNB | Oxford Univ. Press | - | (Verlag) | - | - |
HLS | HLS | - | ja | nur intern | nur intern |
NDB | Hist. Komm. | - | ja | Registerextrakt | - |
Bayer. Ak. d. Wiss. | (17.-19. Bd.) | - | |||
ÖBL | Österr. Ak. d. Wiss. | - | ja (Verlag) | - | - |
AKL | K. G. Saur / genios | ja | ja | gegen Gebühr | gegen Gebühr |
BBKL | Bautz | - | ja | ja | ja |
Biogr. Archiv | Munzinger / genios | ja | ja | gegen Gebühr | gegen Gebühr |
CineGraph | text + kritik | - | ja (Verlag) | ja | gegen Gebühr |
DBE | K. G. Saur / genios | - | ja | gegen Gebühr | gegen Gebühr |
Univ.bibl. Braunschweig | |||||
Enc. Jud. | ja | (Verlag) | - | - | |
KfGL | text + kritik | - | ja (Verlag) | ja | gegen Gebühr |
KGL | text + kritik | - | ja (Verlag) | ja | gegen Gebühr |
LexMA | Univ. Zürich | - | ja | ja | - |
(13.1.) Gedruckte Publikationen
(13.2.) CD-ROM / DVD
(13.3.) Online-Publikationen
(13.4.) Biographische Datenbanken
(13.5.) Nachlaßverzeichnisse
(13.6.) Biographische Projekte
(13.7.) Universitäten
(13.8.) Außeruniversitäre Forschungsinstitutionen
(13.9.) Archive
(13.10.) Bibliotheken
(13.11.) Museen
(13.12.) Verlage
(13.13.) Genealogie
Bearbeitet von Dr. Bernhard Ebneth
Erstellt: 17. 12. 1998
Letzte Aktualisierung: 29. 12. 2004
(2) Aufgaben und Ziele der NDB
(3) Richtlinien für die Erstellung von Beiträgen für die NDB
(4) Musterartikel
(5) Übersicht der vorliegenden Bände
(6) Ressorts in der Redaktion der NDB
(7) Mitarbeiter(innen) in der Redaktion der NDB
(8) Personenregister und Inhaltsverzeichnisse zur NDB
(9) Autoren und Mitarbeiter der NDB
(11) Anfrageformular
(12) Weiterführende Literatur zur NDB
(13) Weitere historisch-biographische Informationsmittel
(14) Ergänzungen und Berichtigungen zur NDB
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